Paraguay 2003

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Claudia wird dieses Jahr 15 Jahre alt

Die Hauptstadt Asunción vom Fluss aus gesehen
Panorama der Hauptstadt Asunción

Im Oktober 2003 war ich zum fünften mal zu Besuch bei meinen Schwiegereltern in Paraguay.
Der Aufenthalt dauerte 3 Wochen und meine Eindrücke in dieser Zeit habe ich auf einigen losen Zetteln festgehalten, um hier darüber berichten zu können.
Viel Spaß beim Lesen und wer mal Urlaub abseits aller Touristenpfade sucht, dem kann ich dieses Land nahelegen.
Informationen um z.B. eine eigene Reise zu planen findet man u.a. auf dem Informationsportal Paraguay.

Aussicht auf eine befahrene Straße
Aussicht von der Ladefläche
Samstag, 25.10. Als wir in São Paulo nach der letzten Zwischenlandung das Flugzeug nach Asunción besteigen klopft mir jemand von hinten auf die Schulter:
"Haben wir beide nicht in Gau Bickelheim zusammen in einer Wohnung gelebt?"
Es ist Thorsten, den ich seit 10 Jahren nicht mehr gesehen habe. Er und seine Frau besuchen seine Eltern, die seit 6 Jahren in Capiata leben.
Die Welt ist wirklich klein.
Als wir um 11:30 Uhr auf dem Flughafen Silvio Pettirossi landen, bin ich ziemlich aufgeregt: Julia, Perfecto und ein Empfangskommitee der Familie werden wir gleich nach 2 Jahren Abwesenheit wiedersehen. Beim Verlassen der Maschine empfängt mich Paraguay zunächst erstmal standesgemäß mit 37°C Lufttemperatur.
Auf der 20minütigen fahrt nach Hause lasse ich die ersten Eindrücke auf mich wirken. Ich sitze auf der Ladefläche des PickUp und an mir ziehen Lastwagen, Geschäfte und fliegende Händler vorbei.
Zu Hause angekommen beziehen wir nach Begrüßung der übrigen Familienmitglieder unser Zimmer. Für Sonntag ist Regen vorausgesagt.

Sonntag, 26.10. Es regnet den ganzen Tag bei moderaten 20 Grad.

Montag, 27.10. Faulenzen, sich langsam aklimatisieren.
Nachdem der Regen aufhörte und es wieder wärmer wird, trauen sich die Mücken aus ihren Verstecken.

Verkäufer hinter der Ladentheke
unser freundliches Personal berät sie gern
Dienstag, 28.10. Ich zähle 80 Mückenstiche.
Seit 3 Tagen ist es tagsüber wieder über 30 Grad bei hoher Luftfeuchtigkeit. Mittags wirft man fast keinen Schatten, da die Sonne beinahe im Zenit steht. Sie hat eine unglaubliche Kraft.
Heute besuche ich Fernsehwerkstätten um nach Altbeständen von Elektronenröhren zu fragen.
Der erste Laden ist ein wahrer Augenschmaus: das Geschäft ist eine Garage, die mit alten Geräten voll ist. Das Gerümpel liegt in Form einer Halde von vorne ansteigend bis hinten unter die Decke. Ein schmaler Gang ist freigehalten, damit Personen sich noch darin bewegen können. Leider komme ich zu spät: vor 6 Wochen hat der Inhaber alles Gesuchte weggeworfen.
Im nächsten Geschäft bringt mir der Besitzer, nachdem ich mein Anliegen verständlich machen konnte, eine mexikanische EL84 und eine PCL80 von Philips und er verspricht mir in seinem Lager nach weiteren Exemplaren zu suchen.
Er sagt mir, ich solle morgen (mañana) nochmal vorbeikommen.
Ich nehme mir das also in der Hoffnung vor, dass mañana wirklich morgen meint. Erst im Verlaufe der nächsten Tage wird mir bewußt, dass mañana in Südamerika nicht "am nächsten Tag" bedeutet, sondern nur mit "nicht jetzt!" übersetzt werden kann. Andere Interpretationen sind leider nicht möglich.
Seit 1994 befinde ich mich regelmäßig in Südamerika doch ist dieser kleine Unterschied noch nicht in Fleisch und Blut übergegangen. Ich muss mir immer wieder vornehmen, die nötige Geduld mitzubringen.
Er gibt mir aber noch den Namen und die Adresse seines früheren Lieferanten. Dort angekommen kann man mir ein größere Menge PL36 anbieten, verweist für andere Typen jedoch auf den Distributor, der noch jede Menge Röhren auf Lager haben soll.
Den Besuch beim Distributor nehme ich mir für Donnerstag vor.

Alfredo zeigt uns eine Senderöhre
Logo
Alfredo zeigt uns eine Senderöhre
Zu Hause angekommen ruhe ich mich beim Fernsehen etwas aus, als im Abspann des Mittagsmagazins von Telefuturo der Name Alfredo Ketterer auftaucht. Alfredo kenne ich seit meinem ersten Besuch in Paraguay Mitte der 90er. Ich war damals neugierig, mit welcher Technik südamerikanische Fernsehsender ihr Programm realisieren. Alfredo hatte sich einen ganzen Tag Zeit genommen, mir die gesamte Technik von el trece, wo er Chefingenieur war, zu zeigen. Der Besuch war höchst interessant und endete mit der Anfrage des Senders, ob ich als Techniker bei ihnen arbeiten wolle. Ich fühlte mich sehr geschmeichelt.
Vor 3 Jahren hatten wir uns dann aus den Augen verloren. Er wollte mit seiner Familie nach Florida auswandern.
Laut Abspann des Mittagsmagazines ist er jetzt leitender Ingenieur bei Telefuturo, einem Privatfernsehsender, der vor 6 Jahren gegründet wurde. Ich versuche vergeblich ihn dort telefonisch zu erreichen.

Mittwoch, 29.10. 150 Mückenstiche.

Person mit großen Eisblock in der Hand
eine große Erfrischung
Donnerstag, 30.10. 240 Mückenstiche.
Das Wetter ist unerträglich: 35 Grad und schwül.

Der ehemalige Distributor für Bauelemente verkauft heute nur noch Boxen und Verstärker und vertröstet mich, natürlich, auf morgen.
Meine Frau hat durch ihre Tätigkeit bei der Deuteschen Welle öfters beruflich mit verschiedenen Botschaften in Südamerika zu tun.
Der Presseattache der Deutschen Botschaft hat uns für Sonntag zum Mittagessen eingeladen.
Alfredo ist immer noch nicht ans Telefon zu bekommen.
Ich verbringe den restlichen Tag mit der Reparatur des Türschlosses an Zunis Wagen. Zuni ist die jüngere Schwester meiner Frau, die uns für die Zeit unseres Aufenthaltes ihren Wagen zur Verfügung stellt. Ich schneide und biege ein paar Blechstücke zurecht, die jetzt nur noch gebohrt werden müssen um sie dann einzubauen. Zu Hause gibt es jedoch nur eine Handbohrmaschine und Holzbohrer also gehe ich zu einer Schlosserei. Eine Bohrmaschine habe man, jedoch keine Bohrer.
Ein echter Fachbetrieb eben. Die zweite Firma kann mir dann weiterhelfen. Später frage ich im Eisenwarenladen unter anderem nach selbstsichernden Muttern. Der Verkäufer guckt mich ungläubig an und teilt mir mit, dass es so etwas hier natürlich nicht gäbe, dafür müsse ich schon in die Hauptstadt fahren.
Lustig, bei meiner nächsten Reise werde ich mal wieder so einige Sachen aus Deutschland im Gepäck haben müssen.
Obwohl weder ordentliches Material noch Werkzeug zur Verfügung steht, gelingt eine vernünftige Lösung für das Türschloss.

zwei Paraguayos trinken Mate aus ihren Bechern
Mate ist das Nationalgetränk Paraguays
Freitag, 31.10. Es ist kälter geworden.
Ich zähle keine Mückenstiche mehr. Die Tiere kommen am späten Nachmittag heraus und sind sehr agressiv. Sie lassen sich nicht vertreiben sondern man muss sie erschlagen oder lange, dichte Kleidung tragen. Bei den Temperaturen hier ist das aber keine wirkliche Option. Im Laufe meines Aufenthaltes pendelt sich eine stabile Anzahl bei ca. 300 Stichen ein. In der Geschwindigkeit, wie neue dazukommen, heilen alte Stiche ab. Das Gejammer von Leuten mit einem oder 2 oder auch hundert Mückenstichen kann ich seit heute nicht mehr nachvollziehen. Weicheier!
Während unseres Aufenthaltes hier wollten wir eigentlich die Gelegenheit nutzen, mal in das Chaco zu fahren. Das Chaco ist ein urtümliches Gebiet im nordwesten Paraguays und zeichnet sich durch große Farmen und unberührte Natur aus. Bis 1940 gab es hier weltweit die letzten weißen Flecken auf dem Globus. Man rät uns jedoch dringend davon ab, da die Mücken im hiesigen Teil des Landes im Vergleich zu den dortigen ware Kuscheltiere seien. Außerdem herrschen dort zur Zeit 45 Grad Lufttemperatur.
In irgendeinem Winter werden wir das nachholen.

Der Herr im Elektronikladen war immer noch untätig, worauf ich die Initiative ergreife und selbst seine Sammlung durchforste. Die ausgesuchten Stücke wechseln für 40 US$ den Besitzer. Vielleicht motiviert ihn das, seine übrigen, verstreut liegenden, Bestände für mich durchzusehen bzw. in sein Ladengeschäft zu bringen.
Alfredo ist endlich am Telefon und verspricht mir sich sofort zu melden, sobald er absehen kann, wann er Zeit für ein Treffen hat. Da ich inzwischen jedoch genügend Erfahrung mit der südamerikanischen Mentalität habe, beschließe ich, ihn 6 Tage vor meiner Rückkehr nach Deutschland selbst nochmal anzurufen.
Es beginnen die Vorbereitungen für Claudias 15te Geburtstagsfeier morgen. Da das ein besonderer Tag ist, der den Übergang vom Kind zum Erwachsenen bedeutet, wird fast die gesamte 120 köpfige Familie erwartet.

auf Claudias Geburtstagsfeier
auf Claudias Geburtstagsfeier
Samstag, 1.11. Nieselregen bei moderaten 25 Grad.
Die Geburtstagsfeier soll zu Hause im Garten stattfinden. Bis 16 Uhr versuchen wir noch durch das Spannen von Planen über dem Garten das Fest hier zu ermöglichen. Das Wetter ist jedoch so unbeständig und den gesamten Garten mit Folien zu überdachen mangels Material unmöglich, so dass beschlossen wird, in den Saal des Lions Club zu verlegen.
Das bedeutet den Transport von 120 Stühlen, 20 Tischen, 180 Litern Getränke und großen Mengen an Besteck, Tischdekoration, Grill, Fleisch sowie Eisbarren zur Kühlung.
Dazu leiht uns eine Tante ihren offenen Lieferwagen. Die Kiste wäre, wie so viele Fahrzeuge hier, ein Schmaus für jeden deutschen TüV-Prüfer. Ich erpare mir Details. Was aber gar nicht witzig ist, ist dass das Lenkrad eine halbe Umdrehung Spiel aufweist. Ich komme mir vor wie Cary Grant in einer Szene mit Doris Day: beide sitzen in einem offenen Wagen und fahren über eine gerade Landstraße. Die Kamera zeigt beide von vorne, er schaut zu seiner Beifahrerin herüber und dreht das Lenkrad lustlos hin und her. Der Wagen fährt dabei immer geradeaus.
Um 20 Uhr sind wir mit dem Transport und Neuaufbau fertig, kurz bevor die ersten Gäste eintreffen.
Der angemietete Saal hat den Charme einer Turnhalle.
Er ist eine Turnhalle.
Die Musik ist teils live, teils von CD und gefällt mir überhaupt nicht. Außerdem ist sie so laut, dass die Anlage stark verzerrt. Ich lasse ein stück von BAP spielen, was bei den übrigen Gästen, ausgenommen einigen Jugendlichen, aber nicht ankommt. Neben meinem Job als Bierausschenker bleibt die Zeit für den ein oder anderen Plausch mit den Gästen.
Um 2 Uhr falle ich tot ins Bett.

Laura und Rainer
Laura und Raine
Sonntag, 2.11. Laura und Rainer erwarten uns zum Mittagessen. Meine Frau möchte, dass ich dort mit Hemd und Krawatte erscheine. Die anschließende Diskussion verhindert fast unser pünktliches Erscheinen. Ich setze mich durch.
Es wird Pollo Casero (Huhn in diversen Variationen nach Hausrezept zubereitet) gereicht.
Das Essen ist vorzüglich und die beiden überaschen immer wieder durch ihre witzige und spontane Art. Sehr schnell wird klar, dass ein Anzug hier und heute wirklich nicht angemessen gewesen wäre.
"Du Stefan, neulich hatten wir "Professor" Cabrera mit Gattin zu Besuch. Seine Frau war dermaßen aufgebrezelt, sie muss stundenlang bei Friseur und Maniqüre verbracht haben. Sie tat mir richtig leid."
Während Rainer mir einen Schnaps nach dem anderen eingießt, plaudern wir über sein Leben als Diplomat, über Paraguay, Deutschland und die bunte Welt des Fernsehens.
Am frühen Abend sind meine Frau und ich wieder zu Hause und ich begieße den gelungenen Tag noch mit ein paar Bierchen. Am Dienstag wird sich meine Frau mit dem deutschen Botschafter treffen und Rainer schlägt vor, dass ich mir währenddessen in seinem Pool Getränke reichen lasse.
Keine schlechte Idee.

On Air Lampe
AUF SENDUNG !
Montag, 3.11. Ein geplanter Besuch beim Fernsehen Canal Trece fällt leider aus, da mein Ansprechpartner kurzfristig außer Haus musste. Weder seine Sekretärin noch sonst jemand ist über meinen Besuch informiert und kann mich empfangen und so fahre ich unverrichteter Dinge wieder nach Hause.
So ist das eben in Lateinamerika.

Schilderwald
ausreichende Beschilderung
Dienstag, 4.11. Genauso erfolglos wie der gestrige Tag war begann der heutige.
Ich bringe Zuni mit ihrem Wagen zur Arbeit. Um den Rückweg wiederzufinden merke ich mir den Kilometerstand des Tachos bei bestimmten Kreuzungen und auffälligen Kurven. Die wichtigste Kreuzung überfahre ich jedoch auf dem Rückweg, was ich auch nach 1 Km merke. Da ich aber zu faul bin um zu wenden, Linksabbiegen hier außerdem immer mit einem gewissen Risiko für Gesundheit und Auto verbunden ist (es gibt keine Linksabbiegespuren), beschließe ich einfach geradeaus weiterzufahren, bis ich die große Ruta 1 treffe, die mich ostwärts wieder nach Hause führen wird. Ohne Karte orientiere ich mich grob am Sonnenstand.
Da wir uns südlich des Äquators befinden, läuft die Sonne im Vergleich zu Deutschland auf einer spiegelverkehrten Bahn am Himmel entlang. Und obwohl ich das weiß und zu berücksichtigen versuche, misslingt mir regelmäßig jede Orientierung.
Seit Jahren versuche ich vergeblich Land- oder Straßenkarten von Paraguay zu bekommen. 2 Monate nach dieser Reise habe ich in Deutschland endlich eine einigermaßen brauchbare topografische Karte finden können.
(Nelles Verlag München, Bolivia/Paraguay, 1:2.500.000, ISBN 3-88618-579-6 für 7,90 €)
Leider wurde mir vom Verlag keine Genehmigung erteilt, Teile davon hier zu verwenden.
In Asunción angekommen dämmert mir, dass ich die Ruta 1 wohl garnicht gekreuzt habe. Na ja, hier kenne ich mich wenigstens einigermaßen aus, doch da es keinerlei Beschilderung gibt, muss ich mich dennoch nach Hause durchfragen. Kurz vor Mittag komme ich zu Hause an.
Was lehrt die Lektion: nicht zu altruistisch im Straßenverkehr sein, ruhig mal als Linksabbieger etwas riskieren.
Während meine Frau beim Botschafter vorstellig ist, lasse ich mir das Mittagessen mit Laura und Rainer schmecken. Ein paar Bahnen im Pool fördern anschließend die Verdauung.
Um 16 Uhr sind wir im Außenministerium verabredet. Meine Frau hat ein paar Fragen bezüglich Warenexport. Als wir 3 Stunden später endlich zu Hause sind, bin ich fix und fertig. Die kommenden Tage wollen wir Kontakt zu Kunsthandwerkern aufnehmen.

im südlichen Paraguay
im südlichen Paraguay
Mittwoch, 5.11. Wir sind den ganzen Tag im Auto unterwegs.
Der Verkehr ist ätzend. Ständig muss man auf sämtliche Dummheiten der übrigen Fahrer gefasst sein. Dazu Fußgänger auf der Schnellstraße und Sattelschlepper, die mit 120 Km/h durch Ortschaften heizen. Die Verkehrslage ist oft unübersichtlich, dazu kommen noch fehlende Beschilderung und Rinder, die spontan die Fahrbahn überqueren.
An den asfaltierten Hauptverbindungsstraßen des Landes sind ca. alle 100 Km Polizeistationen errichtet. Hier werden z.B. allgemeine Verkehrskontrollen durchgeführt.
Auf dem Rückweg werden wir an einem dieser Kontrollposten angehalten. Wegen Fahrens ohne Abblendlicht soll ich eine Strafe von 3 Tagessätzen bezahlen. Die umgerechnet 13 Euro sind auf der Hauptwache in Coronel Oviedo, was 8 Km zurückliegt, zu entrichten. Weil wir den Umweg sparen möchten fragen wir, ob wir die Strafe auf der Polizeiwache zu Hause in San Lorenzo bezahlen können. Der Beamte bietet an, den Strafzettel zu annulieren, wenn wir ihm das Geld an Ort und Stelle aushändigen. Quittungen habe er jedoch keine und der Betrag würde sich dadurch auch nicht reduzieren.
Der Kerl ist eine Witzfigur.
Korruption ist eine der Hauptursachen für die schlechte Situation in diesem Land.
Wir nehmen also den Umweg zur Hauptwache gerne in Kauf, mit Quittung.
Was das Kunsthandwerk angeht war dieser Tag aufschlussreich aber ernüchternd.
Die Kooperative erstickt jedes Interesse am professionellen Handel und Export mit völlig überzogenen Forderungen und Bedingungen.

Donnerstag, 6.11. Die Angestellten des Bierhandels holen ihr Kühlaggregat und die Bierfässer ab, die wir letzten Sonntag für die Feier angemietet hatten.
Toll, wir wollten das übriggebliebene Fass am kommenden Wochenende leeren und hatten dazu eine Verlängerung der Ausleihe abgesprochen. Deren Gebaren stinkt mir: wir bekommen kein Geld für das volle Fass erstattet und man versucht das Kühlgerät als defekt darzustellen.
So nicht Freunde.
Unwillig machen sie den von mir geforderten Funktionstest und laden dann ihr Geraffel in den Wagen.
Was soll das ?
Ich kann solche Leute nicht leiden, nächstes mal kühlen wir unser Bier wieder mit Eisblocks. Den Rest des Tages verbringe ich in der Hängematte und lese Julio Verne: Viaje alrededor de la Luna. (Jules Verne/Reise um den Mond)

Freitag, 7.11. Ein wenig einkaufen, ansonsten faulenzen und viel Wasser trinken.

Samstag, 8.11. Heute abend schmeißen wir im Garten ein Grillfest für alle die kommen wollen.
Bei selbstgemachtem Kartoffelsalat nach Mutters Rezept, der wider Erwarten und wider früherer Erfahrungen bei fast allen Anklang findet, und reichlich Fleisch und Bier können wir ab 20 Uhr die Mondfinsterniss beobachten. Ein schöner Abend.

Abschlussfoto beim Fußballturnier
Die Siegermannschaft
Sonntag, 9.11. Die Deutsche Botschaft veranstaltet heute ein großes Jugendfußballturnier.
Dies musste schon 5 mal wegen schlechten Wetters abgesagt werden. 25 Mannschaften spielen in verschiedenen Klassen gegeneinander. Während das Turnier läuft werden die geladenen Gäste mit landestypischem Essen verköstigt. Es gibt unter Anderem gebratenen Fisch aus dem Rio Paraguay, der ausgezeichnte schmeckt. Die Gräten des Tieres sind 15 cm lang ! Ich möchte dort nicht schwimmen gehen.
Hier lerne jetzt auch ich den deutschen Botschafter kennen: er ist ausgesprochen nett und bodenständig. Permanent umringen ihn Jugendliche und Vertreter der Presse. Wir verabreden mit Rainer und dem Profe (der "Professor", Spitznahme des Jugendfußballnationaltrainers) am kommenden Donnerstag in ein Tanzlokal zu gehen.

bei Freunden vor dem Haus
bei Freunden
Dienstag, 11.11. Wir sind von Suni, der Frau eines Cousins meiner Frau, eingeladen gemeinsam mit ihr und ihrer Tochter 2 Tage ihre Eltern auf dem Land zu besuchen.
Sie leben unter einfachsten Bedingungen am Fuße der Cordillera Amambay, einer Hügelkette im Nordosten Paraguays nahe der Grenze zu Brasilien und freuen sich immer über Besuch. Wir laden noch etliches an Mitbringseln ein und kommen nach 6 Stunden Autofahrt am Nachmittag dort an.

Fluss im Wald
Im Nationalpark Cerro Cora
Mittwoch, 12.11. Frühmorgens fahren wir los zu einem Tagesausflug in Richtung Brasilien.
Zunis Tochter lotst uns zu einer Freundin, die uns die Sehenswürdigkeiten ihrers Wohnortes Pedro Juan Caballero zeigen soll. Der Weg dorthin führt mitten durch die Cordillera Amambay, eine unvergleichlich schöne Hügellandschaft. Sehenswürdigkeiten gibt es in der Stadt offenbar keine, denn die Freundin führt uns nach kurzer und hektischer Stadtrundfahrt zum Shoppen in ein Einkaufszentrum. Nun ja, wenigstens hat Zuni ihre Freundin nach langer Zeit einmal wiedergesehen. Mittags reisen wir wieder ab und besuchen den Nationalpark Cerro Cora.
Hier haben 1870 Soldaten der Triple Allianza gegen die Truppen Paraguays gekämpft. Verzweifelt schlugen sich auf der Seite Paraguays sogar Einheiten, die sich aus Kindern rekrutierten und von Coronel Panchito Lopez angeführt wurden. Er war der Sohn des berühmten Mariscal Lopez und selbst erst 16 Jahre alt.
Vater und Sohn ließen auf diesem Schlachtfeld ihr Leben.
Durch den Park fließt ein Fluss, der zum Baden einlädt. Bei 40 Grad Lufttemperatur eine durchaus angenehme Sache. Da wir aber nicht in dem kühlen Wasser (30 Grad) bleiben können bis es angenehmeres Wetter gibt, beschließe ich die kommende Nacht in der Hängematte im Garten zu verbringen. Meine Frau möchte, dass ich mir wegen der unsicheren Lage hier eine Pistole unter das Kopfkissen lege, was ich aber ablehne um mich nicht selbst zu gefährden. Waffenbesitz ist hier übrigens für jedermann gestattet, leider auch für die "Bösen".
Es ist herrlich: eine leichte Brise macht die Temperaturen erträglich und am Horizont beobachte ich stundenlang niedergehende Blitze. Die Hunde schlagen wegen der unruhigen Kühe öfters an, was mich leider vom Schlaf abhält. Gegen 2 Uhr nachts geht eine unglaubliche Regenschauer nieder. Ich komme mit meinen Sachen gerade noch halbwegs trocken ins Haus.

nahe der Cordillera Amambay
nahe der Cordillera Amambay
Donnerstag, 13.11. Wir brechen um 6 Uhr früh wieder nach Hause auf.
Man hatte dringend davon abgeraten, noch am Abend zu fahren, da im Schutze der Dunkelheit Verbrecherbanden häufig Fahrzeuge zum Halten zwingen würden. Auch LKW und Busse seien davon nicht ausgenommen. Die Banden ziehen einen dicken Baumstamm quer über die Straße und bedienen sich dann. Wenn man dann nur seiner Habseligkeiten beraubt wird habe man noch Glück! Tötungsdelikte sind hier, weit weg von der Hauptstadt Asunción, nichts wirklich ungewöhnliches.
Wie wir leider nach Rückkehr in Deutschland erfuhren, ist wenige Tage nach unserem Aufenthalt ein mit unseren Gastgebern befreundetes Ehepaar ermordet worden. Die Täter vermuteten Bargeld im Haus der über 70jährigen Leute, da sie gerade ein Grundstück verkauft haben sollten. Das war jedoch nicht der Fall und es war kein Geld im Haus. Es ist zu befürchten, dass man der Täter nie habhaft werden wird.
Nach 10 Kilometern Fahrt treffen wir den Bruder von Zuni, der mit seinem Wagen am Straßenrand steht und mit einem Anwohner plaudert. Nach 20 Kilometern kommen wir in Yby Yaú wieder an einen dieser festen Polizeiposten, werden angehalten und nach den Papieren gefragt. Ich reiche dem Beamten meinen Führerschein und alle zum Auto gehörenden Papiere herüber. Er möchte noch die Zulassung sehen. Ich zeige auf das Siegel an der Windschutzscheibe und sage, dass dies die Zulassung sei. Er fordert jedoch ein Zulassungspapier sonst müssen wir das Auto hier stehenlassen und Strafe zahlen.
Das ist zum verrückt werden, hatten wir doch bis jetzt alle Kontrollen ohne Beanstandung passiert und sind uns sicher, alle erforderlichen Papiere mitzuführen. Wir stiegen jetzt alle aus dem Wagen aus und redeten abwechselnd auf den Polizisten ein, der jedoch völlig ungerührt auf seiner Forderung beharrte.
Da sagte Zuni: "Warten wir einfach auf meinen Bruder, der hier gleich vorbeikommt, dann wird sich alles aufklären."
Was soll das bringen, denke ich mir, so kann sich unsere Lage höchstens verschlimmern.
Für mich völlig unvermutet springt der Polizist darauf an und fragt, wer denn der Bruder sei?
"Das ist Manolo, der hier in der Gegend die Milch transportiert."
"Etwa der Manolo mit dem grauen FIAT?"
"Ja, genau der Manolo mit dem grauen FIAT ist mein Bruder und wenn wir hier Probleme durch Sie haben sollten, dann werden Sie in Zukunft bestimmt keine Milch mehr bekommen."
Ich muss mich bemühen um ruhig zu bleiben und mich nicht einzumischen.
Nach kurzer Bedenkzeit äußert sich der Polizist:
"Ja wenn Manolo ihr Bruder ist, dann hat das hier sicher alles sein Richtigkeit und ich wünsche ihnen eine gute Fahrt."
Bevor der gute Mann es sich anders überlegt, besteigen wir schnell den Wagen und fahren los.
Ich kann es nicht fassen, meine Mitreisenden können es übrigens auch nicht glauben und wir lachen uns halbtot.
Manolo ist wirklich Zunis Bruder und der Milchmann hier in der Gegend.
Offenbar hat ein Polizist, der hier draußen seinen Dienst schiebt und auch wohnen muss, bei unpopulären Handlungen mit großen Unannehmlichkeiten in seiner dienstfreien Zeit zu rechnen. Das Land ist hier sehr dünn besiedelt und jeder kennt jeden.
Das Treffen mit dem "Profe" und Rainer im Tanzlokal müssen wir leider absagen, da eine Großtante meiner Frau heute gestorben ist.
Wir wohnen der Abschiedszeremonie und Beisetzung bei, die für Mitteleuropäer ungewohnt ist. Die Gräber sind überirdisch und sehen aus wie kleine Häuser. Vor einem Grab ist ein laufendes Radio aufgestellt, vor anderen sieht man aufgeschlagene aktuelle Tageszeitungen liegen.

Regie eines Fernsehstudios
Logo
Studioregie von Telefuturo
Freitag, 14.11. Heute bin ich das vierte mal beim ehemaligen Distributor für Elektronikbauteile, um mögliche Restbestände aufzukaufen. Seit dem letzten Besuch hatte der Besitzer viel Zeit, diese zusammenzutragen um sie mir jetzt anzubieten.
Aber wir sind hier in Südamerika und er war die ganze Zeit untätig.
Der Versuch ihm wenigstens noch ein paar herumliegende Einzelstücke abzuschwatzen wird von seiner mittlerweile eingetroffenen Frau vereitelt. Sie verlangt Mondpreise, ich gebe auf.
Für dieses Jahr. 2009 habe ich endgültig aufgegeben.
Um 12:00 Uhr stehe ich bei Telefuturo auf der Matte. Am Montag hatte ich wie vorgesehen Alfredo angerufen und mich für heute mit ihm verabredet. Er hat zwar kurzfristig keine Zeit, aber wenigstens einen seiner Kollegen gebeten, sich um mich zu kümmern.
Der Sender ist modern ausgestattet und macht offenbar ein so attraktives Programm, dass die Zuschauerzahlen der anderen beiden Fernsehanstalten Paraguays in beängstigendem Tempo sinken.
Natürlich herrscht notorischer Geldmangel, was sich in Programmverhandlungen mit internationalen Fernsehanstalten und in den Gehältern der Angestellten zeigt. Programmeinkäufe werden, wo es geht, nicht mit Geld sondern mit Ausstrahlungsrechten eigener Programme bezahlt. Eine Sekunde gebuchte Werbezeit zur Primetime kostet hier 10 US$. Zum Vergleich: in Deutschland zahlt man dafür bei den großen Fernsehanstalten 2800 US$. Das Gehalt eines Technikers in der Sendeabwicklung beträgt hier 190 US$, in Deutschland sind es 4000 US$. (Alle Angaben ca. Werte, Stand 2003)

Morgen früh geht leider schon unser Flugzeug nach Deutschland.
Das größte Fotolabor im Land muss bei dem Versuch unsere wichtigsten Digitalfotos auf Papier zu bringen wegen einer defekten Maschine leider passen. Dadurch verlieren wir 4 Stunden, es kostet mich weitere Stunden, einen Rechner aufzutreiben, wo ich die Fotos wenigstens auf CD brennen kann, damit unsere Familie nach unserer Abreise irgendwann Abzüge davon machen kann.
Bis wir uns von den Verwanten und Freunden verabschiedet und unsere Koffer gepackt haben ist es 1:00 Uhr nachts.

Dampflokomotive Baujahr 1860 im Einsatz
Dampflokomotive Baujahr 1912 auf dem Bahnhof von Aregua
Samstag, 15.11. Abflug um 6:00 Uhr morgens in Asunción. Zwischenlandungen in Buenos Aíres und Madrid. Ankunft in Frankfurt um 13:00 Uhr nach 25 Stunden Reisezeit. Jetzt nur noch schnell mit dem Zug bis Köln und geschafft.
Auf dem Bahnsteig in Frankfurt lassen wir eine Brieftasche mit Papieren und den Zugfahrkarten auf einer Sitzbank liegen. Wir merken das schnell, doch die Türen des ICE sind schon geschlossen und können auch vom Bahnpersonal nicht mehr geöffnet werden.
Hier möchte ich den Mitarbeitern der Bahn sehr danken, die die Sachen vollständig, schnell und unbürokratisch mit dem nächsten ICE nachgeschickt haben. Ein toller Service, den ich nicht für selbstverständlich halte.